Auschwitz als Reiseziel – das ist keine gewöhnliche Klassenfahrt. Dass sich auch in diesem Jahr wieder ein Geschichtsleistungskurs des Albert-Schweitzer-Gymnasiums zu einer Reise nach Polen aufmachte, zeigt, wie nahe uns die Geschichte ist.
Mithilfe der großzügigen finanziellen Unterstützung der Konrad-Adenauer Stiftung sowie des Fördervereins und des Bundesfamilien Ministeriums wurde uns dies, wie zwei vorherigen Abiturjahrgängen auch, ermöglicht. Also machten wir uns vom 13.02-17.02.2019 unter der Leitung von Herrn Dr. Schmidtsiefer, Frau Swiadek und dem Thema: „Nie mehr vergessen“ auf den Weg nach Krakau. Zusätzlich begleiteten uns unsere Referendarin Frau Oschem und Frau Zenk von der Konrad-Adenauer-Stiftung, die die Fahrt für uns organisierte.
Im Mittelpunkt unserer Fahrt stand die Auseinandersetzung mit dem Holocaust während des 2. Weltkrieges. Allerdings begannen wir mit einer sehr informativen Stadtführung durch die Krakauer Altstadt, bei welcher der Schwerpunkt auf der Stadtgeschichte lag. Wie der Besuch im Schindlermuseum, der am Samstagmittag stattfand, ging es auch hier um den Rahmen, in dem sich der Holocaust abspielte: Krakau war im Zweiten Weltkrieg das Zentrum des sogenannten „Generalgouvernements“; die Deutschen bemühten sich massiv darum, die ehemalige polnische Hauptstadt zu germanisieren und drangsalierten neben den Juden auch die nichtjüdischen polnischen Bewohner.
Bei der Führung durch das ehemalige jüdische Viertel Kazmierz erzählte der Guide uns die Geschichte bis zur Übernahme des Viertels durch die Nationalsozialisten. In der Remuh-Synagoge wirkte der berühmte Rabbi Moses Isserlis, dessen Grab bis heute besucht wird. Der angrenzende jüdische Friedhof ist weitgehend eine Rekonstruktion, nachdem er von den Nationalsozialisten geschändet wurde.
Trotz vieler bereits erworbener Kenntnisse im Unterricht waren die Eindrücke von Auschwitz selbst überwältigend. In zwei Gruppen aufgeteilt mit jeweils einem Guide besichtigten wir das Gelände des Stammlagers und die dort enthaltenen Ausstellungen. Vor allem in den Räumen mit den verbliebenen Erinnerungsstücken und Gegenständen der Toten war die Stimmung bedrückend: Tonnen von Haaren, Koffer mit Namen, Schuhe oder Geschirr; Tausende von Bildern der Ermordeten an den Wänden, aufgenommen von einem Häftling, der überlebte und nach dem Krieg kein einziges Foto mehr schießen wollte – was an diesem Ort geschah, bleibt nahezu surreal. An der „Schwarzen Wand“ des Gefängnisblocks wurden Tausende von Menschen einzeln erschossen? Unvorstellbar. Ein Ort des Schweigens.
Auschwitz-Birkenau: 250.000 Quadratmeter, eine unvorstellbare Größe. Überrascht von diesen Dimensionen, die kein Foto oder Film einem Menschen jemals nahebringen können, zeigten die Guides die Wohnbaracken, die Ruinen der Gaskammern und der Krematorien. Kann man sich vergegenwärtigen, dass über die als „Rampe“ bezeichnete Gleisanlage 900.000 Menschen unmittelbar in den Tod in der Gaskammer geschickt wurden? Auch hier wieder mehr Fragen als Antworten. Am Ende liefen wir durch das Gelände, an Teichen vorbei, in denen die Asche von 200.000 Menschen ruht – welch ein Kontrast zur Ruhe des hereinbrechenden Abends. Aber, in der Tat, es ist, wie einer der Guides am Tag zuvor gesagt hatte, der größte Friedhof der Welt.
Spätestens am folgenden Tag wurde uns allen klar, dass unsere bisherigen Eindrücke die Wahrheit lediglich andeuteten, denn wir hatten das große Glück, mit einem Zeitzeugen zu sprechen. Der 97jährige Karol Tendera erzählte uns in den Räumen des Schindlermuseums seine Geschichte, wie er als 19jähriger zuerst von Polen nach Deutschland zur Zwangsarbeit geschickt wurde, letztendlich vier Jahre in Auschwitz verbringen musste und diese grausame Zeit nur durch mehrere schicksalhafte Wendungen überlebte. Mehr als erstaunlich war für uns, dass er trotz der schrecklichen Erlebnisse, die ihn immer wieder an den Rand des Todes brachten, keinerlei Hass gegenüber den Deutschen empfand. In seinem bewegenden Schlussappell forderte er uns auf, dafür zu sorgen, dass dergleichen nie wieder passiert und wir unsere demokratischen Rechte nutzen sollten.
An das Gespräch knüpfte dann eine kurze Führung durch das Schindlermuseum an. Gegen Nachmittag bot sich die Möglichkeit, etwas über das jüdische und polnische Leben in der heutigen Stadt Oswiecim zu erfahren, vor dem Krieg ein Zentrum des polnischen Judentums. Ein weiteres Mal besuchten wir eine Synagoge, in der unsere Kenntnisse über das Judentum aufgefrischt wurden, und außerdem folgten in dem Museum Geschichten zu Juden in dieser Stadt: Bürger aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus mit ganz unterschiedlichem kulturellen Hintergrund – bis zur deutschen Besetzung Polens eine normale Geschichte. Zur Gegenwart wie zur Geschichte gehört es, dass im Jahre 2000 der letzte jüdische Bürger Oswiecims verstarb – nachdem es über 400 Jahre dort eine blühende jüdische Gemeinde gegeben hatte.
Am Ende bleiben starke Eindrücke, viele Bilder und Geschichten, die uns berührt haben und von denen wir viele noch nicht zusammensetzen können – aber auch eine große Dankbarkeit insbesondere gegenüber dem Zeitzeugen, Herrn Tendera, der seine eigene Geschichte so beredt erzählt und dessen Offenheit uns bewegt hat. Bei allen Reisenden blieb der Impuls, das alles weiter zu erzählen, um die Erinnerung an das Geschehen lebendig zu erhalten.
von Luana Salamone und Loreen Krimmelbein