Reise des Leistungskurses Geschichte Q2 des Albert-Schweitzer-Gymnasiums nach Auschwitz
Inspiriert durch die Fahrt des Geschichte-Leistungskurses des vorherigen Abiturjahrgangs nach Krakau und die Besichtigung des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz/Birkenau anlässlich des alljährlichen Auschwitzgedenktages zur Befreiung des Lagers am 27. Januar 1945 im letzten Jahr, war eine Wiederholung dieser Fahrt mit dem diesjährigen Geschichte Leistungskurs der Q2 des Albert-Schweitzer-Gymnasiums seitens der Schülerinnen und Schüler und des Lehrers erwünscht. Mit der finanziellen Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Bethe-Stiftung, nicht zuletzt auch durch den Förderverein des ASG und den finanziellen Einsatz der Eltern wurde dies auch vom 1. bis 5. Februar 2017 in Form einer Reise nach Krakau ermöglicht. Die Fahrt stand im Zeichen der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg und des Holocausts, weswegen während des Aufenthalts das jüdische Viertel, das während des Krieges geschaffene Krakauer Ghetto und die ehemalige Fabrik Oscar Schindlers, in welcher heute eine Ausstellung über die deutsche Besatzung der Stadt Krakau im Zweiten Weltkrieg zu besichtigen ist, besucht wurden. Vor allem stand jedoch die zweitägige Besichtigung des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz/Birkenau und ein Zeitzeugengespräch mit einem Überlebenden des Lagers im Mittelpunkt.
Trotz der vorherigen Auseinandersetzung mit dem Holocaust im Unterricht und der Mitgestaltung des Auschwitz-Gedenktages mussten wir während und nach der Besichtigung der beiden Lager Auschwitz und Birkenau und vor allem nach dem Zeitzeugengespräch einen Tag später feststellen, dass diese Erfahrungen nochmals ein völlig neues Bild der Vergangenheit ergaben. Zurück in der Schule besprachen und diskutierten wir die gewonnenen Eindrücke, die sehr vielfältig und unterschiedlich ausfielen und in vieler Hinsicht auch nur schwierig zu beschreiben sind.
Natürlich war die Besichtigung der Gedenkstätten sehr beeindruckend und auch bedrückend, doch besonders bewegt waren wir vor allem durch das Gespräch mit dem Zeitzeugen, Karol Tendera, der es geschafft hatte, vier Jahre in diesen unvorstellbar grausamen Lagern zu überleben, und uns seine Erlebnisse aus dieser Zeit näher brachte. Dreieinhalb Stunden hörten wir einer unglaublichen Geschichte zu, von einer zweimaligen Flucht aus der Zwangsarbeit, von seiner Verhaftung und der Inhaftierung im sogenannten „Stammlager“ Auschwitz, von unerträglichem Leid und vier Jahre anhaltender Todesangst, von schwerster physischer und psychischer Belastung und von waghalsigen Versuchen, dem Tod zu entgehen, oder in Worten des Zeitzeugen, „der Hölle“ zu entgehen. Eine Geschichte, die gut und gerne einen spannenden Hollywood-Film füllen konnte – tatsächlich jedoch die wahre Geschichte des Mannes ist, der sie uns erzählte.
Die persönlichen Erfahrungsberichte des 95-jährigen riefen nochmals ein neues und anderes Bild in unseren Köpfen hervor, als es uns schon an den beiden Tagen zuvor während der Lagerbesichtigung vermittelt wurde. Denn auch ohne diesen persönlichen Bericht ist eine Besichtigung der Lager als beeindruckend, beklemmend und schockierend zu bezeichnen; sei es die berüchtigte Eingangsüberschrift des Stammlagers „Arbeit macht frei“, die alten sanitären Anlagen und Schlafräume oder der Gang durch den berüchtigten „Block 11“, in welchem sich die Hunger- und Dunkelzellen des Lagers befinden – Orte von denen wir bei der Gestaltung des Auschwitz-Gedenktages noch gelesen und sie uns vorgestellt hatten, die in der Realität jedoch noch weit andere Gefühle und Eindrücke vermitteln, als es in der Vorstellung möglich ist.
Unvorstellbar sind auch im Vorfeld die Dimensionen des Holocaust und die Dimensionen der Vernichtungsmaschinerie in den Konzentrationslagern, denn auch wenn viele Baracken und Anlagen des Vernichtungslagers Birkenau heute leider verfallen sind oder von den Nazis selbst zerstört wurden, beeindruckt das Lager alleine durch seine unglaubliche Größe und Fläche. Das Wissen um die hier geschehenen Gräueltaten und das menschliche Leid sorgten für beklemmende Gefühle und Vorstellungen während des Gangs durch das Lager, hinzu kamen die Berichte unserer Begleiterin, welche es schaffte, mit den Erzählungen über individuelle Schicksale und Begebenheiten eine traurige und düstere Stimmung hervorzurufen.
Besonders bewegend und schockierend waren für die meisten die heute im Stammlager ausgestellten Überreste und Besitztümer der Opfer der Vergasungen in Birkenau, worunter ungefähr eine Million Juden waren. Auch hier ist zu sagen, dass wir alle vorbereitet und schon informiert waren, was man als Besucher der Gedenkstätte zu sehen bekommen würde, aber auch hier ist im Nachhinein festzustellen, dass der reale Anblick der Ausstellung in seinen unglaublichen Dimensionen, was die Menge an Schuhen, Kleidung und Alltagsgegenstände betrifft, nicht vorstellbar war.In diesen Momenten, wo man diesen vielen privaten und persönlichen Gebrauchsgegenständen, aber vor allem auch der Masse an menschlichen Haaren gegenübersteht, wird einem das Ausmaß des Holocaust und der Taten der Nazis ein weiteres Mal völlig neu bewusst.
Diese vielen Eindrücke und der bewegende Bericht des Zeitzeugen Karol Tendera später ließen nur erahnen, welches Leid die Opfer dieser Zeit ertragen mussten. Umso überraschter und bewegter waren wir, wie es diesem Menschen heute möglich ist, über die schrecklichen Erlebnisse zu berichten, und wie er es schaffte, diese zu verarbeiten.
Nicht unerwähnt bleiben soll auch der Besuch der ehemaligen Fabrik Oscar Schindlers und des heute sich dort befindlichen Museums, wo uns präsentiert wurde, wie die Nazis ihre Ideologie im eroberten Polen verbreiteten und welche Konsequenzen dies für unzählige unschuldige Zivilisten mit sich brachte. Auch die Besichtigung des jüdischen Viertels Kazimierz führte vor Augen, dass die Nazis völlig normale Menschen und ihre Kultur zu vernichten versuchten und dies in großem Umfang auch schafften.
Insgesamt lassen sich die Eindrücke mit sehr beeindruckend, bedrückend, beklemmend und unvorstellbar bezeichnen, mit Sicherheit ist auch der Begriff der Fassungslosigkeit über diese Vergangenheit zutreffend. Doch wage ich auch zu beschreiben, dass sich die Besichtigung der Konzentrationslager seltsam und paradox anfühlte.
Seltsam, weil man sich an Orten schrecklichen Grauens und Leidens befand und jederzeit versuchte, sich dies irgendmöglich vorzustellen, man jedoch feststellen muss, dass dies auch mit einer Reise an die tatsächlichen Orte des Geschehens letztlich unmöglich ist.
Paradox, weil einem jeder Zeit bewusst ist, welche Dinge in den Lagern geschehen sind und wir heutzutage sozusagen als „Touristen“ über die Lagergelände schreiten und vor den Überresten und zurückgebliebenen Gegenstände von unzähligen Menschen jeden Alters stehen, ohne eine wirklich reale Vorstellung oder ein richtiges Verständnis von dem zu erhalten, was wir sehen.
Des Weiteren empfanden wir es als eine Ehre und Bereicherung, in unserer Generation noch die Möglichkeit zu erhalten, mit einem Zeitzeugen über dessen Erlebnisse und Erfahrungen zu sprechen. Ein solches Gespräch birgt mit Sicherheit noch einige Aspekte, Informationen und Anstöße, über welche man meistens zuerst nicht nachdenkt, wenn an den Holocaust und die NS-Zeit erinnert wird. Somit kann als Fazit der Fahrt festgehalten werden, dass es sich empfiehlt diesen Ort einmal persönlich zu besuchen und sich mit der Vergangenheit noch einmal neu auseinanderzusetzen. Besonders für uns Deutsche sollte dies ein wichtiges Anliegen sein, ist doch die Vergangenheit bis heute von prägender Bedeutung in unserem Alltag und sollte dies auch in Zukunft bleiben.
Zuletzt möchten wir uns bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Bethe-Stiftungbedanken, die uns durch finanzielle Unterstützung diese Fahrt und diese Erfahrungen ermöglicht haben. Ohne diese Unterstützung wäre dies wahrscheinlich nur schwer zu realisieren gewesen.
Lukas Jacques